Das Veranstaltungsprogramm 2015

Fünffach bunt - Der Lesbar Herbst 2015

Lieber extrem als langweiliges Mittelmaß

Lese-Veranstaltung mit Malte Herwig in der Buchhandlung Lesbar am Montag, 8.12.2015

Francoise Gilot muss schon eine ganz besonders eindrucksvolle Frau sein. Dieses Bild jedenfalls vermittelt Biograph und SZ-Magazin Autor, Malte Herwig in seinem Buch über „Die Frau, die NEIN sagt“.

Am Montagabend erzählte er in der Lesbar von seinen Begegnungen und Gesprächen mit der inzwischen 94jährigen Malerin und Ex-Frau von Pablo Picasso, mit dem sie zwei Kinder hat. Malte Herwig hat Francoise Gilot in ihren Ateliers in Paris und New York mehrfach interviewt und sie als quirlige, lebensfrohe Frau kennengelernt, die zwar schon

seit ein paar Jahren den Tod erwartet, aber solange er nicht kommt, halt das Beste aus ihrem Leben macht. Sie malt.

Dabei ging es in den Interviews nicht nur um Kunst, sondern vielmehr um die Kunst zu Leben. Und natürlich um Pablo Picasso, der seine Frauen anfangs wie Göttinnen später aber wie Putzlumpen zu behandeln pflegte. Gilot war sich bewusst, auf was sie sich

mit ihm einließ. Aber lieber eine Beziehung mit Extremen als ein normales, geordnetes Leben. „Nichts ist langweiliger als das Mittelmaß.“

Malte Herwig wechselte bei seinem Vortrag in der gut besuchten Lesbar mehrfach die Rolle. Vom Vorleser wurde er zum Erzähler und bei einer Vielzahl von Anekdoten schlüpfte er gar mühelos in die Haut von Francoise Gilot. Dann wurde er besonders quirlig und lebhaft. Wenn man die Augen schloss, hätte man meinen können, sie selbst reden zu hören. Ja, so ungefähr muss sie sein, „die Frau, die NEIN sagt“ zu Picasso, aber JA sagt zum Leben.


+ + + + +    V O N        H I E R    + + + + +

....VON HIER....MAL VIER: Unser Veranstaltungspaket mit Künstlern und Autoren aus der Region

EINS: Königsdisziplin: Alpingeschichte(n)

Stefan König, passionierter Bergler und Erzähler zu Gast in der Lesbar.

Bekannt wurde der Penzberger einem breiteren Publikum durch seine spannenden Regionalkrimis. Auszüge aus Kommissar Thanners Fällen durften bei unserer Veranstaltung am 12. November in der Reihe "VON HIER" natürlich nicht fehlen. Auch wenn die gelesenen Szenen ein bißchen gruselig waren. "Verbrechen sind halt nun mal gruselig, da hat der Spass Pause. Vielleicht ist's ja auch eine Mentalitätsfrage", so Stefan König über seinen Stil und seine Arbeitsweise. Die Beschreibung der Beziehungen zwischen seinen Protagonisten sind für ihn der anspruchsvollste Teil des Schreibens. Seine Bücher entwickeln sich, die Personen bekommen eine Art Eigenleben. Kein Wunder, dass er erst bei Seite 250 weiß, wie die Sache nach 300 Seiten ausgehen wird. Darum geht es letzten Endes auch in seinem neuesten Buch, "Alpingeschichte(n)": um die Beziehungen der Bergsteiger untereinander, in Extremsituationen, unter Lebensgefahr. Zwei der insgesamt 24 Berggeschichten aus seinem Buch präsentierte Stefan König in der Lesbar: die dramatische Erstbesteigung des ersten Achtausenders durch eine Französische Expedition im Jahr 1950 und die letzte bergesteigerische Großtat, die Ersteigung des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff durch Messner/Habeler. "Danach kamen nur noch Varianten", meint König, "allerdings ohne die grandiosen Leistungen schmälern zu wollen". Alpingeschichte in 24 Geschichten, ein Adventskalender der anderen Art, wie Frau Barnsteiner-Bosch am Ende der Veranstaltung treffend bemerkte. Applaus für einen schönen und unterhaltsamen Abend.


ZWEI: "Kieselklang und Wortgesang" - eine Liebeserklärung an den Lech

Hans Schütz und Karl Michael Ranftl bekennen Ihre "Lechliebe"

Das Spektrum an Texten und Tönen, das die beiden Künstler zu bieten hatten, war unerwartet breit. Im Wechsel spielten sich Hans Schütz und Karl Michael Ranftl die Bälle zu.

Schütz begann mit einer amüsanten Anekdote aus früheren Zeiten, als er mit anderen Kindern ein Lechfloß baute, völlig unbeaufsichtigt und ohne Smartphone-Kontrolle, "...wir waren die letzten Lechflößer". Köstlich auch seine Mundart-Gedichte: "S' isch wia's isch!", bewusst provokativ dagegen seine von seiner Naturliebe geprägten umweltpolitischen Texte.

Zentrales Thema in den vorgetragenen Gedichten war der Fluss als Symbol für das Vergängliche, für den Kreislauf des Lebens: "panta rei - alles ist im Fluss", ein leises Gedicht, das nachdenklich stimmte. Der Fluss als Kraftquelle, die aus hartem Fels Kiesel formen kann. Eben diese Kiesel, mit deren Hilfe Ranftl dem Fluss selbst eine ganz erstaunliche Stimme zu geben vermag.

Heimatlich sein Maultrommel-Jodler oder begleitet von der Gitarre das Wessobrunner Gebet aus dem 8. Jahrhundert, das er auf Alt-Hochdeutsch rezitierte.

Die herrliche Klanschale aus Quarz war wohl das Lauteste an diesem leisen Abend in der Lesbar. Hans Schütz und Karl Michael Ranftl sind zwei, die sich ideal ergänzen, die zueinander passen wie "Kieselklang und Wortgesang".


DREI: Eine Ammersee-Rundreise mit Gerd Holzheimer

Unterhaltsam, anekdotenreich, sensibel - einfach rundum gelungen

Unglaublich, wer rund um den Ammersee schon zu Hause war: Orff und di Lasso, Brecht und Mann und, und, und. Diesen und vielen anderen Persönlichkeiten hat Gerd Holzheimer nachgespürt und ihre Lebenslinien verfolgt. Dabei stieß er auf Ungewöhnliches.

Etwa die Geschichte von Carl Orff, der in der Wallfahrtskirche von Kloster Andechs begraben werden wollte, die Kirche ihm seinen letzten Willen wegen dessen Lebensstil aber verweigerte. Kurzerhand setzte sich der Abt über das Verbot hinweg und ließ Orff außerhalb der Kirche mit dem Kopf zur Seitenkapelle betten. Das Grab liegt außerhalb, der Grabstein ragt nach innen: Trick 17.  

Oder die Geschichte der Übersetzerin der Micky Maus Comics. Sie kreierte Wortschöpfungen wie "Krach!", "Klirr!" oder "Achselzuck!". Nach Nominativ, Genitiv, Dativ und Akusativ gilt dies inzwischen offiziell als 5. Fall: der "Erikativ".

Diese und viele andere Geschichten und Anekdoten präsentierte Gerd Holzheimer launig und mit viel Witz in seiner Lesung, die eigentlich eher ein Erzählabend war. So oder so, der Abend war rundum gelungen. Danke, Gerd Holzheimer für "Laut lach!".

 

VIER: Premiere: Die politische Lesung

Brisante Enthüllungen durch Erich Schmidt-Eenboom

Nach jahrelangen Recherchen hat Erich Schmidt-Eenboom zusammen mit Co-Autor Ulrich Stoll jüngst eine Dokumentation über die geheime Schattenarmee des Kalten Krieges herausgebracht. Titel: "Die Partisanen der NATO". Als "Quasi Weltpremiere", wie Frau Barnsteiner in ihrer Einführung stolz bemerkte, stellte Schmidt-Eenboom am 13. Oktober 2015 in der Lesbar seine brisanten Erkenntnisse vor. In seinem einstündigen Vortrag führte der Geheimdienstexperte und Friedensforscher sein Publikum gekonnt durch über 4 Jahrzehnte dauernde Geheimdienstaktivitäten in Zeiten des Kalten Krieges. Mit unzähligen Fakten und Originalzitaten aus Geheimprotokollen unterfütterte er seine spannenden Thesen und stellte über verschwundene Sprengstoffdepots sogar eine Verbindung zum Münchner Wiesenattentat her. Brandaktuell, weil just an diesem Abend im Fernsehen darüber berichtet wurde. Eine ausführliche und rege Diskussion mit dem interessierten Publikum blieb daher nicht aus. Eine zeitliche Kollision mit der sehr spät beginnenden Fernseh-Doku gab es aber zum Glück nicht.    

 

Das Frühjahrsprogramm 2015

Lehrstunde in Sachen Integration

Dragana Oberst liest aus "Jenseits der weißen Linie"

Ihre schwierige Kindheit hat die Autorin in ihrem autobiographischen Debüt aufgearbeitet. Getrennt von Mutter und Vater, zerrissen zwischen zwei ganz unterschiedlichen Welten, Deutschland und dem heutigen Serbien, schaffte Dragana Oberst ihren Weg zur Normalität. Freimütig und einfühlsam schilderte sie bei ihrer Lesung diesen so stark prägenden Teil ihres Lebens. In der anschließenden angeregten Diskussion ging es um Fragen wie Fremdsein und Integration, um Getrenntsein und dennoch Verbundensein, um den berechtigten Wunsch eines Kindes nach Geborgenheit. Hochaktuell vor dem Hintergrund steigender Asylantenzahlen. Eine ehrliche und sehr persönliche Lesung, die wunderbar zu der familiären Atmosphäre in der Lesbar passte. "Jenseits der weißen Linie", geschrieben und vorgetragen in einer feinen und klaren Sprache, bleibt sicher keine Eintagsfliege. 


Der Genuss hatte Vorrang

Kontraste im Pfaffenwinkel - Geistlichkleit und Genuss.

Der Journalist Christoph Ulrich ist ein bekannter Musiker in Weilheim und Umgebung. Neuerdings ist er literarisch unterwegs. Bei seiner Buchpräsentation in  der Lesbar am 17. März betrat er gleich dreimal Neuland: er präsentierte sein allererstes Buch auf seiner allerersten Lesung und erhielt als Dankeschön vom Lesbar-Team seinen allerersten Blumenstrauß. Unkompliziert und frisch war Christoph Ulrichs Auftritt vor rund 20 Gästen in der Lesbar. Erfrischend auch die Beschreibungen seiner persönlichen 66 Lieblingsplätze im Pfaffenwinkel. Für ihn als Musiker unverzichtbare Lieblingsplätze sind die kleinen Musikkneipen, für ihn als bekennender Weilheimer führt kein Weg am Wandergebiet "Gögerl" oder am Badesee "Dietschi" vorbei. Autor und Publikum fühlten sich spürbar zu Hause in der ansprechend bestuhlten und frühlingshaft dekorierten Lesbar - und natürlich im Thema des Abends. Womöglich kommt bei einer Neuauflage von "Kontraste im Pfaffenwinkel" nach diesem gelungenen Debütabend die Lesbar als Lieblingsplatz Nr. 67 neu dazu. Ein Genuss war's auf jeden Fall!